Kooperativen bei erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch
Die Zeit scheint reif für eine Wende in der Energiepolitik: Weg von den großen Konzernen hin zur Bürgerinitiative. Dazu muss der Staat, aber auch die EU, die richtigen politischen Weichen stellen. So ein Ergebnis der rezenten Konferenz zum Thema “Energiecooperativen”.
“Solaranlagen in Deutschland, ist wie Ananas auf dem Nordpol!” – mit diesem Statement war Jürgen Grossmann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des “Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerkes”(RWE) – einer der vier großen konventionellen Energiekonzerne in Deutschland – lange in der Presse vertreten. Erst kürzlich jedoch musste RWE die Entlassung von 8.000 Arbeitnehmern verkünden. “RWE’s Problem ist heute, dass rund 25.000 Megawatt ‘Ananas’ angebaut werden”, so der Europaabgeordnete Claude Turmes Anfang der Woche bei der von Klima-Bündnis Lëtzebuerg, dem Mouvement Ecologique und REScoop organisierten Konferenz “Energiecooperativen: eng stark Kraft fir de Wandel am Energieberäich”.
Die Konferenz, die mit fast 100 interessierten Zuhörern sehr gut besucht war, ließ denn auch keinen Zweifel am frischen Wind in den alten Mühlen.
In den letzten Jahren ist ein radikaler Wandel festzustellen: In Deutschland sind es vor allem Privatpersonen die in den letzten Jahren in erneuerbare Energien investiert haben, der Anteil der Energiekooperativen beträgt bereits mindestens 6 Prozent. Dagegen sind die vier großen Stromunternehmen, die über 30 Jahre lang den Markt dominiert haben bei den erneuerbaren Energien auf 6,5 Prozent abgerutscht.
Turmes machte denn auch in seinem Vortrag zur “Energiewende von unten” eine deutliche Trendwende aus: Im Strommarkt, der bisher von einigen wenigen Konzernen dominiert wurde, habe eine Dezentralisierung und Demokratisierung eingesetzt. Gerade Bürgerinvestitionen stellen dabei zusammen mit den Kommunen die neue Bewegung dar. Während man vor zwanzig Jahren noch ein Big Boy sein musste, um in ein großes Atom- oder Kohlekraftwerk zu investieren, ermöglichen erneuerbare Energien heute fast jedem Einzelnen Energieproduzent zu werden.
Jedoch sei Vorsicht geboten, nach wie vor versuchten die großen Stromkonzerne ihr Lobbying auf die nationale und europäische Energiepolitik zu übertragen.
So will die EU-Kommission – unter dem Einfluss der großen Stromkonzerne – die bestehenden Einspeisevorrangsysteme durch relativ bürokratisch aufwendige Systeme, die da heißen Versteigerungen, ersetzen. Demnächst soll zu den Rahmenbedingungen für Fördersysteme in Brüssel ein neuer Entwurf herauskommen, den die EU-Bürger anschließend binnen zwei Monaten kommentieren können. Im April 2014 soll dann die Kommission entscheiden, welche Fördersysteme noch möglich sind.
Weil im November 2015 die internationale Klima-Konferenz ansteht auf welcher ein Nachfolgeabkommen für Kyoto verabschiedet werden soll, muss die EU-Gemeinschaft, die dann unter dem Vorsitz von Luxemburg steht, prägnante Zielvorgaben im Klimabereich für 2030 machen. Deshalb sei es bis Juni 2014 wichtig, möglichst viel Druck aus nationalen Ländern auszuüben, damit die Regierungen auf EU-Ebene ein ambitioniertes Ziel für 2030 vorgeben.
“Technisch, finanziell und von den Netzen her können wir den Durchmarsch in Richtung 100 Prozent erneuerbare Energien organisieren. Eine Privatperson hat schneller in eine Photovoltaik-Anlage investiert als RWE, die erst einmal 15 interne Genehmigungen braucht”, so Turmes zuversichtlich. Somit kommt in den folgenden Monaten auf die neue Regierung eine große Baustelle zu. Den richtigen Schwerpunkt setzt zumindest der neue Koalitionsvertrag, in dem steht, dass die Energiekooperativen in Zukunft stärker unterstützt werden sollen.
Langjährige Erfahrung im Bereich der Energiekooperation haben die “Elektrizitätswerke Schönau (EWS/Deutschland). Diese entstanden nach dem GAU in Tschernobyl, als Nachbarn die Initiative “Eltern für eine atomfreie Zukunft” gründeten und begannen in der 2.500-Einwohner-Gemeinde Blockheizkraftwerke und Solaranlagen zu installieren. Ein Bürgerentscheid sowie das Zusammenbringen der notwendigen Finanzen führten dazu, dass das lokale Stromnetz von der Kooperative Schönau übernommen werden konnte.
Allen Unkenrufen zum Trotz sind seither die Lichter in Schönau nicht ausgegangen, stellt Tanja Gaudian der Elektrizitätswerke Schönau zufrieden fest. Im Gegenteil haben EWS seit 1998 das Recht in ganz Deutschland Strom zu liefern. Dabei bezahlt jeder Stromkunde zwischen 0,5 – 2 Cent pro Kilowattstunde in einen Fördertopf, um weitere Bürgerkraftwerke finanziell zu unterstützen.“So werden die Gelder, die durch Energie gewonnen werden, wieder reinvestiert zum Ausbau des Netzes”, folgert die junge Frau.
Deutschland ist in punkto Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien 2012 bereits bei 22 Prozent. Energiegenossenschaften gibt es mittlerweile über 700 Stück in Deutschland mit rund 136.000 Mitgliedern, die 1,2 Milliarden Euro in die Energiewende investiert haben.
“Und es sind tatsächlich viele Menschen, die oftmals nur ein kleines oder mittleres Einkommen haben, die nicht profitorientiert sind, denn in Deutschland schütten die Genossenschaften nur Dividenden zwischen drei und fünf Prozent aus, die jedoch die Energiewende vorantreiben wollen”, so Gaudian. Genossenschaften sind insgesamt eine recht stabile Wirtschaftsform. “Es ist eine Wirtschaftsform, die Wirtschaft und Gesellschaft versöhnt. Denn als Genossenschaftsmitglied hat man zwei Interessen: Einerseits den Strompreis stabil zu halten und andererseits die Ausschüttung einer Dividende zu erreichen. Man trifft sich in einer gesunden Mitte”, meint Gaudian. Viele Energiegenossenschaften haben mit Solar angefangen, da es geringere Vorfinanzierungskosten erfordert und wagen sich mittlerweile auch an größere Projekte – z.B. Windkraft – heran.
Details zum Luxemburger Kooperationsrecht lieferte an diesem Abend, David Hiez der Uni Luxemburg. So ist das Luxemburger Recht in diesem Punkt vor allem eine Kopie des Belgischen, und alles andere als detailfreudig. Umso wichtiger sei es, die Statuten einer neuen Kooperative recht detailliert auszuführen, um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein.
Zwei Vertreter des Wirtschaftsministeriums (Gilbert Theato/myenergy und Pascal Fabing/Luxinnovation) erklärten in ihren Beiträgen die nationalen Vorgaben im Bereich der Fördermittel für erneuerbare Energien. So wird in Luxemburg im Strombereich eine Einspeisevergütung für eine Dauer von 15 Jahren garantiert, wobei diese abhängig ist von der angewandten Technologie – ob Photovoltaik-, Windkraft-, Wasserkraft-, Biogas- oder Klärgasanlagen. Aber auch direkte Investitionsbeihilfen sind für verschiedene Arten von EE-Anlagen möglich und werden immer im Vergleich zu einer konventionellen Anlage basierend auf fossilen Energien berechnet – im Schnitt seien da bis zu 20% direkte Beihilfen durchaus möglich..
Den Abschluss des informativen Abends bildeten Beispiele aus Luxemburg. Vorgestellt wurde so die “EnerCoop” von Transition Minett (www.transition-minett.lu), einer Energiekooperative, die im Februar 2014 offiziell lanciert werden soll sowie die “Equienercoop” aus Junglinster (www.equienercoop.lu), die bereits mehrere Schuldächer mit Solaranlagen ausgestattet hat.
Die Konferenz, die nicht nur die Bedeutung der Energiegenossenschaften klar herausarbeitete, zeigte auch den Weg dorthin über juristische und finanzielle Hürden auf. Eine Energiewende von unten erscheint sinnvoll – denn wenn den Bürgern die Verantwortung für die Stromerzeugung übertragen wird, entsteht auch ein anderes Bewusstsein für den eigenen Verbrauch und somit auch für die Entwicklung einer Region.
Hier die Vorträge des Abends :
- Vortrag von Claude Turmes (pdf)
- Vortrag von Tanja Gaudian (pdf)
- Vortrag von David Hiez (pdf)
- Vortrag von Gilbert Theato (pdf)
- Vortrag von Pascal Fabing (pdf)
- Vortrag von Christian Goebel (pdf)
Autor: Mouvement Ecologique